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Wenn die Temperaturen in sommerliche Höhen steigen, treibt allein der Gedanke an das Business Outfit vielen Berufstätigen den Schweiß auf die Stirn. Auch wenn Kleidervorschriften im Sommer gelockert werden, allzu lässig geht es meist nicht. Denn Anzug und Bluse werden häufig als Ausdruck von professioneller Seriosität angeführt. Aber ist das heute wirklich noch so? Haben Start-up-Kultur, abflachende Hierarchien und steigende Individualität nicht auch unsere Wahrnehmung von Kleidung verändert? Dieser Frage ist Lina-Sophie Stens in ihrer Abschlussarbeit an der Hochschule Fresenius in Düsseldorf nachgegangen. Im Interview berichtet die Absolventin von den Ergebnissen.
Ein Bereichsleiter in einem großen Konzern erzählte mir einmal, dass seine Beförderung erst mit dem Tragen maßgeschneiderter Anzüge einherging. Das machte mich stutzig. Wie konnte es sein, dass formelle Kleidung heutzutage immer noch ein so einflussreiches Symbol ist – in Zeiten, in denen die Individualität und Selbstbestimmung der Mitarbeiter höchste Priorität besitzen, objektives Potenzial und gezeigte Kompetenz zählen, Dresscodes zunehmend legerer werden und Agilität jedem Unternehmen ein Begriff ist?
Studien, die ich daraufhin zum Einfluss der Kleidung auf die Eindrucksbildung fand, zeigten mehrheitlich, dass formell gekleidete Menschen in verschiedensten Eigenschaften signifikant positiver eingeschätzt werden als Personen in informeller Kleidung. Jedoch wurden diese Studien größtenteils zwischen 1950 und 1990 durchgeführt. Die seit diesem Zeitraum entstandene Forschungslücke und die Zweifel an der heutigen Gültigkeit der Befunde haben mich dazu bewogen, das Thema noch einmal zu beleuchten.
Ja, das haben sie. Die befragten Personen gaben auf einer Skala an, für wie attraktiv, mächtig, intelligent, beruflich erfolgreich und vertrauenswürdig sie ein und dieselben Personen in jeweils formeller und informeller Kleidung halten. Die gezeigten Personen waren dabei sowohl männlich als auch weiblich, durch einen selektierenden Pretest kontrolliert mittelattraktiv und derselben Statur sowie Altersklasse zugehörig. Die Auswertung der Einschätzungen zeigt, dass die abgebildeten Personen in formeller Kleidung in vier der fünf genannten Kategorien deutlich positiver beurteilt wurden: nämlich als attraktiver, mächtiger, intelligenter und beruflich erfolgreicher als mit einem informellen Kleidungsstil. Es lässt sich also festhalten, dass das Sprichwort „Kleider machen Leute“ keineswegs veraltet ist. Ein Anzug oder Kostüm strahlen auch im heutigen Zeitalter – trotz flacher Hierarchien, hoher Individualität und Fokus auf objektiven Potenzialen – Macht und Kompetenz aus.
Das kann durchaus passieren. Inzwischen vermutet man, dass der formelle Kleidungsstil nicht nur positive Assoziationen hervorruft, sondern auch mit genau diesem Misskredit von Managern und Bankern verbunden werden kann.
Auch meine Auswertung deutet in diese Richtung. In der fünften Kategorie – der Vertrauenswürdigkeit – hinterließen die Personen in formeller Kleidung einen deutlich schlechteren Eindruck als informell gekleidete Personen: Sie wurden als nur gering vertrauenswürdig eingeschätzt. Das Tragen von Jeans und T-Shirt ging hingegen mit einer hohen Vertrauenswürdigkeitseinschätzung einher. Man kann also sagen, dass der Anzug nicht nur positive Effekte beim Gegenüber hervorruft. In Situationen und Berufen, in denen es auf Vertrauenswürdigkeit ankommt, sollte man die Krawatte also tatsächlich lieber im Schrank lassen und zur lockerer Kleidung greifen.
Dass die Beurteilung anderer Menschen hinsichtlich Macht und Berufserfolg unabhängig vom eigenen Kleidungsstil stattfindet. Wie attraktiv, intelligent und vertrauenswürdig wir andere Personen finden, wird dagegen durchaus davon beeinflusst, wie wir uns selbst kleiden. So wirkt sich ein ähnlicher Kleidungsstil mit der zu beurteilenden Person positiv aus, ein abweichender Kleidungsstil negativ. Die Anzugträger unter den Versuchspersonen beurteilten die Modelle in formeller Kleidung also signifikant als attraktiver, intelligenter und vertrauenswürdiger als dies die eher leger gekleideten Teilnehmer taten. Ein ebenso signifikanter Unterschied ließ sich auch andersherum zwischen leger angezogenen Versuchspersonen und ähnlich informell gekleideten Modellen messen. Für die Praxis heißt dies: Bei der Wahl der passenden Kleidung sollten wir nicht ausschließlich auf unser eigenes Wirkungsbedürfnis, sondern auch auf den Kleidungsstil unseres Gegenübers achten.
Für ein Bewerbungsgespräch sollte man im Hinblick auf die Untersuchungsergebnisse nach wie vor zur formellen Kleidung greifen, um das Ziel, sich als intelligent und souverän zu verkaufen, zu unterstützen. Seit Jahrzehnten empfehlen Karriereratgeber für Bewerbungsgespräche förmliche Kleidung und sie behalten Recht. Dennoch liest man in so mancher Wirtschaftskolumne, dass man die Anzugmode inzwischen individualisieren und ihr einen persönlichen Touch verleihen dürfe. Wenn dieser zu einem Selbst passt, man sich wohler und weniger verkleidet fühlt, umso besser. Schließlich zeigen Studien auch, dass sich ein subjektives Wohlgefühl durch das Tragen bestimmter Kleidung positiv auf das eigene Verhalten – beispielsweise auf das Selbstbewusstsein im Bewerbungsgespräch – ausübt. Es ist wichtig, dass man sich nicht verstellt und wohlfühlt in dem, was man trägt.
Nur zu gerne hätte ich die Assoziationen, die durch die Wahrnehmung von bestimmten Kleidungsstilen bewusst und unterbewusst aktiviert werden, weiter untersucht. Diese kognitiven kleidungsbezogenen Schemata sind die Basis unserer Eindrucksbildung zu anderen Menschen aufgrund deren Kleidung und damit auch meiner Studie. Sie hängen von den Erfahrungen ab, die ein Mensch im Laufe seines Lebens gemacht hat, sodass sie sich interindividuell stark unterscheiden können. Vor allem finde ich es spannend, welche konkreten Kleidungsstücke welche kognitiven Assoziationen hervorrufen. Beispielsweise könnte man durch implizite Verfahren und offene Antwortformate untersuchen, was Menschen mit Markenschuhen im Gegensatz zu Discounter-Sneakern assoziieren oder was die kognitiven kleidungsbezogenen Schemata zu anreizender sowie gediegener Kleidung beinhalten. Darüber hinaus wäre es interessant, wie sich diese Assoziationen interkulturell, zwischen den Geschlechtern, Generationen und verschiedenen sozialen Schichten unterscheiden.
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