Beweismittel für einen Mord auf einem Tisch katalogisiert.

Von der Forensik-Vorlesung bis zum Praxisprojekt

Für viele Berufe ist Praxiserfahrung in der Ausbildung oder im Studium sehr wichtig. Das gilt beispielsweise auch für die verschiedenen Berufsbilder am kriminaltechnischen Institut. Michael Pütz arbeitet beim Bundeskriminalamt im Bereich Toxikologie und als externer Dozent im Masterstudiengang Bioanalytical Chemistry and Pharmaceutical Analysis (M.Sc.). Er berichtet, wie die Arbeit beim BKA aussieht, wie die Berufsaussichten sind und was Studierende bei ihm lernen.

Portrait von Michael Pütz
Michael Pütz, Dozent im Studiengang Bioanalytical Chemistry and Pharmaceutical Analysis (M.Sc.)

Herr Pütz, Sie arbeiten in der Kriminaltechnik beim BKA. Das klingt spannend! Wie kamen Sie dorthin und wie kann man sich die Arbeit vorstellen?
Ich arbeite in der Toxikologie, also dem Fachbereich, der sich mit Rauschgiften, Designerdrogen und Synthetisierungstechniken beschäftigt. Angefangen habe ich 2002 nach meinem Chemiestudium als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Und seit 2006 bin ich für die Forschungskoordination des gesamten Instituts zuständig. Das heißt, neben meiner praktischen Arbeit als Sachverständiger spielt auch die Forschung eine große Rolle. Darüber hinaus schreibe ich Gerichtsgutachten und werde natürlich auch für Aussagen vor Gericht geladen.

Als Wissenschaftler bei einem kriminaltechnischen Institut analysiert man nicht nur aktuelle Proben von Kriminalfällen, sondern entwickelt auch neue Systeme und Verfahren. Wir müssen für die Aufklärungsarbeit ja auf dem neuesten Stand sein, was beispielsweise die Drogenherstellung angeht, um polizeilich entsprechend darauf reagieren zu können.

Und wie kam es zur Kooperation mit der Hochschule Fresenius?
Der Kontakt kam schon vor einigen Jahren über Dr. Thomas Knepper, mit dem auch ein aktuelles EU-Projekt gerade beendet wurde. Später dazu gerne mehr. Einige unserer Ingenieure und Laboranten haben an der Hochschule Fresenius studiert und es gab immer mal wieder Betreuungen von Bachelor- und Masterarbeiten. 2005 habe ich schon eine Arbeit zu biogenen Drogen betreut. Dann wurde der Master eingeführt, der heute Bioanalytical Chemistry and Pharmaceutical Analysis heißt. Darin lehre ich seit 2009 den forensischen Teil.


Das ist doch bestimmt für die Studierenden super spannend, wenn der Dozent direkt aus der Praxis kommt, oder?
Ich denke schon, ja (lacht). Meine Vorlesung ist sehr anwendungsorientiert, manchmal kommt die Theorie vielleicht sogar zu kurz. Zum einen möchte ich vermitteln, was Forensik ist und zum anderen, wie die Arbeit eines Sachverständigen aussieht. Dadurch sind schon einige auf mich zugekommen und haben Interesse an dem Job bekundet. Einen Studenten habe ich als Doktorand ans Landeskriminalamt Schleswig-Holstein vermittelt.

Klingt wirklich toll! Wie kann man sich eine Vorlesung bei Ihnen vorstellen?
Ich stelle bestimmte Arbeitstechniken vor und bringe Beispiele aus der Fallarbeit. Was bei den Studierenden sehr beliebt ist und was anwendungsbezogener eigentlich nicht sein kann: Ich bringe ab und zu Asservate aus Sicherstellungen mit. Das sind Lehrmaterialien, an denen ich zeigen kann, wie Designerdrogentütchen aussehen, wie biogene Drogen aussehen und so weiter. Eben Material zum Anschauen und Anfassen. Hierzu gehört beispielsweise auch ein Video einer Sicherstellung eines großen Labors zur Herstellung von Ecstasy-Tabletten. Daran erkläre ich, woran die Problematik bei der Untersuchung der Produktionsabfälle liegt, wenn der kriminaltechnische Sachverständige nicht vor Ort ist. Meistens bekommt man die Proben eingeschickt, aber manchmal sind die Wissenschaftler eben auch vor Ort, um die Funktionalität und Professionalität des illegalen Drogenlabors sowie die hergestellten Mengen einzuschätzen und Hochrechnungen zu liefern, was noch hätte hergestellt werden können.
Also zeigen Sie wirklich Beispiele aus der Berufspraxis! Gibt es noch einen besonders spannenden Fall, von dem Sie erzählen können?
Ja, da gibt es einiges. Jeder kennt ja DNA-Analytik, um Täter zu überführen. Aber manchmal ist es auch sinnvoll, die DNA von Tier- und Pflanzenspuren zu untersuchen. Da gab es mal einen spektakulären Fall, der sogenannte Eichenblatt-Fall, bei dem Kollegen ein Verfahren entwickelt haben, um DNA aus Eichenblättern zu charakterisieren. Am Schuh des Verdächtigen war nämlich ein Eichenblatt gefunden worden. Daraufhin wurde im Nahbereich des weit entfernten Leichenfundortes eine ganze Reihe von Blättern von Eichenbäumen in der Umgebung der Leiche eingesammelt und mit dem Blatt am Schuh genetisch abgeglichen und einen Treffer gelandet. Die DNA-Analyse der Blätter hat maßgeblich zur Verurteilung des Mörders beigetragen. Ich nehme das gern als Beispiel dafür, dass Aufklärung immer mit Forschung verbunden sein muss. Forschung ist ja auch als eine Kernaufgabe des Kriminaltechnischen Instituts im BKA definiert.

Das heißt, Ihre Aufgabe ist es auch, Ermittlungsverfahren zu entwickeln?
Nein, wir entwickeln technische Lösungen, die neue Ermittlungsansätze ermöglichen können. Es gibt immer neue Verbrechensphänomene und dementsprechend ist es notwendig, dass die ganzen kriminaltechnischen Institute forschen und sich auf diese neuen Phänomene einstellen können. Manchmal versuchen wir sogar Verbrechensphänomene zu antizipieren, wenn es beispielsweise Vorgehen gibt, die zunächst zwar legal sind, aber missbräuchlich verwendet werden könnten. Es kommen zum Beispiel Designerdrogen auf den Markt, um die Gesetze zu umgehen. Wir betreiben prospektive Forschung zu Designerdrogen und deren Herkunft, um eine wissenschaftliche Grundlage für die Erweiterung oder Anpassung der Gesetze zu generieren. Ein Beispiel für eine solche Forschung ist das aktuelle Projekt mit Herrn Knepper, dass wir gerade abgeschlossen haben.

Worum ging es bei diesem Projekt?
Vereinfacht gesagt ging es um eine Methode, um Drogen im Abwasser zu erkennen und zu ermitteln, wo sie herkommen. Ziel war es auch, herauszufinden, ob die Abwasseruntersuchung später bei der kriminaltechnischen Fallarbeit zum Einsatz kommen kann oder nicht. Wir wollten von vornherein den Entwicklungsprozess begleiten und waren stark an den Messkampagnen beteiligt – gemeinsam mit Doktoranden der Hochschule Fresenius. Das ist wichtig, weil wir später bei Ermittlungen ja nur anerkannte und getestete Verfahren nutzen können, damit diese auch vor Gericht standhalten. Manchmal gelingt es auch, die Doktoranden aus diesen Projekten, als Sachverständige einzustellen. Natürlich müssen wir dann auch die entsprechende Stelle freihaben.

Dr. Thomas Knepper hat schon viel Erfahrung im Bereich der Forschung und auch dieses Projekt gemeinsam mit dem BKA war kein Neuland für ihn. „Es ist egal, ob man einen Arzneiwirkstoff, ein Pflanzenschutzmittel, eine Industriechemikalie, Inhaltsstoffe von Waschmitteln oder Drogen untersucht – das Vorgehen ist immer identisch. Man nimmt eine Wasserprobe, befreit sie von Störstoffen wie Urin, trennt Grau- von Schwarzwasser und reichert Moleküle an. Im Massenspektrometer werden die Eigenschaften der Moleküle ganz exakt bestimmt und somit einem Stoff zugeordnet. Man kann Stoffe qualitativ messen, und ihre Menge ermitteln“, erläutert Dr. Knepper die Analysemethode des gemeinsamen Projektes.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass jemand nach dem Studium beim BKA eine Stelle bekommt?
Die Chancen sind gering, aber nicht unmöglich. Wir haben eine sehr niedrige Fluktuation – was ja auch irgendwie für den Job spricht – aber deshalb können wir eben nicht unendlich viele Stellen vergeben. Solche gemeinsamen Projekte sind ein gutes Sprungbrett, aber längst nicht der einzige Weg. Viele Wege führen nach Rom, wie man so schön sagt. Und es gibt noch mehr Möglichkeiten beim BKA zu arbeiten, wir haben schließlich etwa 60 verschiedene Berufsfelder.


Und zum Abschluss: Was ist für Sie das Spannende an der Kriminaltechnik?
Es ist erstens ein sehr abwechslungsreiches Arbeitsumfeld, man ist in der Forschung, der Lehre und in der echten Aufklärung von Verbrechen tätig. Man knüpft internationale Kontakte, arbeitet mit anderen Dienststellen zusammen und, und, und. Zweitens bekommt man Einblicke in die Gesetzgebung und kann diese auch aktiv mitgestalten, denn drittens arbeitet man mit modernsten technischen Systemen und kann diese weiterentwickeln. Und viertens arbeitet man schlichtweg interdisziplinär. Man schaut sich beispielsweise auch Methoden aus der Lebensmitteltechnik an und überprüft, ob diese auch in der Kriminaltechnik angewandt werden können.
Man muss sich aber bewusst machen: Das BKA ist am Ende immer noch eine Behörde und die Mühlen mahlen manchmal langsam. (lacht)

Das kann ich mir vorstellen! Vielen Dank für diesen interessanten Einblick in Ihre Arbeit beim BKA und als Dozent!
Sehr gerne!