Fünf Menschen gehen mit Regenschirmen über eine Mauer. Vier Menschen haben einen schwarzen Schirm, der sie nach unten drückt. Die mittlere Person hat aber einen roten Schirm, der sie hochspringen lässt.

Positive Psychologie – bereit für die nächste Herausforderung?

„Das ist mir zu viel und zu schwer, das schaffe ich sowieso nicht.“ – Gerade vor einer großen Herausforderung wie einer wichtigen Prüfung fühlen sich viele von uns dauerhaft gestresst, haben das Gefühl, unter starkem Druck zu stehen, und zweifeln an sich selbst. Diese negativen Gedanken und Emotionen ziehen uns nicht nur herunter. Sie sorgen auch für ein schlechtes Mindset, das uns pessimistischer und weniger motiviert macht und am Ende dazu führen kann, dass wir tatsächlich weniger erfolgreich sind.

Die positive Psychologie kann helfen, diesem Teufelskreis zu entkommen. „Positive Emotionen und Gedanken erweitern unser Denken, die Problemlösefähigkeit und Kreativität“, erklärt Prof. Dr. Kathrin Schütz, Professorin für Wirtschaftspsychologie und Coachingexpertin. Im Interview spricht sie darüber, was negative Gedanken und Gefühle bewirken. Zudem erläutert sie, was positive Psychologie ist, und gibt konkrete Tipps und Hilfestellungen, wie wir unser Mindset bereit für die nächste Herausforderung machen.

Ob im privaten Alltag, im Studium oder bei der Arbeit – viele Menschen fühlen sich häufig stark gestresst, haben schlechte Laune oder Schwierigkeiten, sich zu motivieren. Woher können solche negativen Gedanken und Gefühle kommen?

Wir stehen in unserem Alltag alle vor ganz unterschiedlichen Anforderungen, die wir zu bewältigen haben. Ohne diese Anforderungen wäre es ziemlich langweilig und sie können im Sinne einer positiven Anspannung auch unsere Leistung und unseren Erfolg fördern. Wichtig ist aber auch, dass wir in Entspannungsphasen wieder zur Ruhe kommen. Ist das Level unserer Beanspruchung dauerhaft hoch, kann sich das negativ auf unsere Gesundheit auswirken. Wir merken es manchmal gar nicht, unser Umfeld dafür umso mehr: Wir sind müde, verärgert oder verspannt und uns gehen negative Gedanken durch den Kopf. Wir nörgeln an allem herum und manchmal auch an uns selbst. Der Stress macht uns also psychisch und physisch zu schaffen und dabei gehen unsere Gedanken und Emotionen häufig Hand in Hand.

Manchmal sind wir auch genervt, weil es um ungeliebte Tätigkeiten geht. Wir müssten ja eigentlich noch die Steuererklärung machen oder endlich mit dem Lernen oder dem Schreiben der Abschlussarbeit anfangen. Man spricht hier von Prokrastination, also Aufschiebeverhalten: Wir können uns einfach nicht motivieren, der innere Schweinehund ist stärker als wir. Und dann ärgern wir uns noch mehr über uns und auch über andere.

Was können negative Gedanken und Gefühle mit uns, unserem Selbstbild und unserem Handeln machen?

Obwohl wir positive Emotionen sogar durchschnittlich häufiger erleben, bleiben sie gleichzeitig eher unbemerkt und gehen ineinander über oder überschneiden sich mit anderen Gefühlen. Dabei sind sie wirklich förderlich: Positive Emotionen und Gedanken erweitern unser Denken, die Problemlösefähigkeit und Kreativität und führen zu stabilen sozialen Beziehungen. Auf der anderen Seite gibt es negative Emotionen: Sie werden schnell und häufig sehr stark wahrgenommen mit einer längerfristigen Wirkung. Unglücklicherweise sind sie leichter wieder abrufbar als positive Emotionen, weil sie uns länger im Gedächtnis bleiben.

Sehen wir vorrangig das Negative, achten wir auch viel mehr auf das, was nicht klappt. Man sagt, dass unser Denken dann eingeschränkt ist und wir nicht mehr alle Verhaltensalternativen im Blick haben. Es ist wie ein Teufelskreis: Wir sind schlecht drauf, sehen die Dinge, die nicht „richtig“ sind, und schon sind wir wieder oder noch mehr schlecht gelaunt. Wir trauen uns weniger zu und glauben weniger an uns. Hier spricht man auch von negativen Kognitionen, also negativen Glaubenssätzen. Dann fallen auch mal Sätze wie: „Das schaffe ich eh nicht, das ging beim letzten Mal auch schon nicht.“ Und genau das kann unsere Selbstwirksamkeit – also unsere subjektive Überzeugung, unbekannte und auch schwierige Anforderungssituationen mithilfe der eigenen Kompetenzen zu bewältigen – schwächen, aber auch stärken, wenn wir positive Erfahrungen machen.

Evolutionär war es für unsere Vorfahren gar nicht so schlecht, potenzielle Gefahren zu identifizieren und sich daran zu erinnern, anstatt die positiven Dinge im Leben zu fokussieren. Der Blick für das Negative und die vermehrten Erinnerungen daran stecken nur leider heute immer noch ins uns, auch wenn es keine Säbelzahntiger mehr gibt. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit häufig auf Dinge, die uns stressen, anstatt das Positive zu sehen. Unsere Gedanken und Emotionen hängen dabei zusammen und können auch beeinflussen, wie wir handeln – im positiven wie im negativen Sinne.

Was versteht man grob unter positiver Psychologie? Und wie kann diese helfen, gegen ein negatives Mindset anzugehen?

In der positiven Psychologie geht es unter anderem um unsere positiven subjektiven Erfahrungen und persönlichen Eigenschaften, mithilfe derer wir unsere Lebensqualität verbessern und Krankheiten vermeiden können. Hier geht es auch um Themen wie Glück, Hoffnung, Kreativität, Zukunftsorientierung, Mut, Verantwortung, Flow-Erleben und Weisheit. Es geht darum, die Stärken und Ressourcen der Menschen und deren Förderung mehr zu fokussieren. Das bedeutet aber nicht, dass psychische Erkrankungen nicht mehr erforscht oder behandelt werden sollen, sondern dass es genauso wichtig ist, sich mit den positiven Aspekten auseinanderzusetzen. Verschiedene Übungen können uns dabei helfen, dankbarer zu sein und den Blick auf die positiven Dinge im Leben zu lenken. Sehen wir, was wir geschafft haben und wofür wir dankbar sind, sind wir zufriedener, glauben mehr an uns selbst und trauen uns somit auch mehr zu. Das konnte bereits in einigen Studien gezeigt werden.

Porträtbild Prof. Dr. Kathrin Schütz

„In der positiven Psychologie geht es nicht darum, die Welt plötzlich nur noch durch eine rosarote Brille zu sehen und alles Negative zu ignorieren. Wir dürfen natürlich auch mal traurig, wütend oder enttäuscht sein. Ein bisschen mehr Dankbarkeit und positiver Fokus können uns aber sehr wohl im Alltag unterstützen.“

Prof. Dr. Kathrin Schütz ist Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Fresenius in Düsseldorf und Expertin für pferdegestütztes Coaching.

Auf welche Weise kann man die positive Psychologie zum Beispiel bei Herausforderungen im Studienalltag nutzen? Und inwiefern können beispielsweise positive Interventionen auch bei großen Herausforderungen oder Problemen helfen?

Wir können uns die Übungen der positiven Psychologie im Alltag – ob im Studium, im Beruf oder im Privaten – zunutze machen. Warum das Ganze so hilfreich ist, lässt sich auch durch die Broaden-and-Build-Theorie erklären: Positive Emotionen beziehungsweise Interventionen können zu einer Erweiterung unseres Denkens und Verhaltensrepertoires (Broaden) und somit zu einem Aufbau von Ressourcen (Build) führen. Die zugehörigen positiven Emotionen können nachweislich einen direkten Einfluss auf unsere Gesundheit haben. Regelmäßige positive Gefühle unterstützen also unser Sinnerleben und fördern langfristig unsere Gesundheit.

Hier geht es außerdem um die sogenannte Resilienz. Das ist die Widerstandskraft, die Menschen dazu befähigt, sich an schwierige Lebenssituationen anzupassen und diese zu bewältigen. Man kann Resilienz auch als Fähigkeit beschreiben, neben negativen Aspekten einer Situation immer auch etwas Positives zu sehen. Resiliente Menschen unterschieden sich also von weniger resilienten auch in der Art und Weise, wie sie Erfahrungen wahrnehmen und bewerten. Und genau das kann man üben. Das heißt, man kann üben, den Fokus mehr auf positive Dinge zu lenken.

Welche konkreten Ratschläge und Tipps können Sie aus Sicht der positiven Psychologie Studierenden geben, die vor einer kleineren oder auch größeren Herausforderung stehen?

Wer die Übungen der positiven Psychologie mal ausprobieren möchte, kann direkt anfangen. Ich baue diese Übungen auch gerne ins Coaching ein und gebe sie meinen Klient:innen als eine Art Hausaufgabe mit. Die meisten berichten mir, dass es wirklich nicht schwierig ist und gut läuft, wenn man einmal angefangen hat und dranbleibt. Ganz wichtig: In der positiven Psychologie geht es nicht darum, die Welt plötzlich nur noch durch eine rosarote Brille zu sehen und alles Negative zu ignorieren. Wir dürfen natürlich auch mal traurig, wütend oder enttäuscht sein. Ein bisschen mehr Dankbarkeit und positiver Fokus können uns aber sehr wohl im Alltag unterstützen.

Eine klassische Übung ist die Drei-gute-Dinge-Übung. Für diese Übung nehmen wir uns jeden Abend, bevor wir ins Bett gehen, zehn Minuten Zeit und schreiben drei Dinge auf, die an dem Tag gut gelaufen sind, und dazu, warum sie geklappt haben. Es ist wichtig, dass die Dinge tatsächlich stattgefunden haben. Wie bedeutend sie sind, spielt dagegen eine untergeordnete Rolle. Wir können uns also zum Beispiel notieren, dass das Lernen heute schon viel besser lief als gestern, dass wir endlich den Kleiderschrank aufgeräumt haben oder die Zeit gefunden haben, uns mit unseren Freund:innen zu verabreden. Die Drei ist dabei eine ganz gute Zahl, weil wir uns nur unnötig unter Druck setzen würden, wenn wir beispielsweise jeden Tag zehn Dinge schreiben müssten. Wir wären dann enttäuscht, wenn wir nur vier finden würden. Weniger ist hier also mehr!

Bei der Übung Best Possible Self schreiben wir Aspekte des eigenen bestmöglichen Selbst in der Zukunft auf. Wir können uns also überlegen, wie man sich am Ende unseres Lebens an uns erinnern soll, oder wenn das zu weit weg ist, wie wir zum Beispiel in drei oder in zehn Jahren sein möchten. Die Übung kann in verschiedene Themenbereiche unterteilt werden, wie beispielsweise das bestmögliche Selbst in persönlicher Hinsicht, in Beziehungen oder im beruflichen Kontext. Aus jedem Themenbereich werden dann die beiden wichtigsten Punkte herausgearbeitet und als zukunftsbezogene Aussagen formuliert und notiert, zum Beispiel: „Ich begegne kleinen Hindernissen ruhig und gelassen.“ Diese positiven Affirmationen, also Glaubenssätze, können wir uns dann immer wieder durchlesen und so verinnerlichen. Dabei hilft es uns auch, mal zu überlegen, was wir schon alles geschafft haben und wie wir das hinbekommen haben.

Wie immer gilt aber: Die genannten Techniken können uns unterstützen, manchmal dauert es aber oder sie passen bei einer Person super und bei der anderen gar nicht. Es kann auch vorkommen, dass wir professionelle Unterstützung brauchen. Die Techniken sind kein Ersatz für eine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung.

Du begeisterst dich für Psychologie?

Und du willst mehr über Themen wie die positive Psychologie oder das Erleben und Verhalten von Menschen im wirtschaftlichen Kontext erfahren? Dann informiere dich über unseren Bachelorstudiengang Wirtschaftspsychologie (B.Sc.) oder unseren Masterstudiengang Wirtschaftspsychologie (M.Sc.). Darüber hinaus findest du an der Hochschule Fresenius viele weitere Studiengänge rund um die Themen Psychologie und Wirtschaftspsychologie.