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Wer eine Bewerbung an einen potenziellen Arbeitgeber schickt, rechnet sich einmal bessere, andere Male schlechtere Chancen auf eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aus. Doch wie werden diese Chancen vom eigenen Aussehen beeinflusst? Wie vom Bewerbungsfoto? Und gibt es dabei einen Unterschied zwischen den Geschlechtern? Diesen Fragen widmete sich die Dozentin für Wirtschaftspsychologie Prof. Dr. Kathrin Schütz mit Studierenden an der Hochschule Fresenius in Düsseldorf und Köln in zwei Untersuchungen, die nun zusammen publiziert wurden.
Ob in der Medienbranche, als Führungskraft in einem großen Unternehmen oder als Sachbearbeiter – der Erfolg einer Bewerbung auf eine offene Stelle hängt von vielen Faktoren ab. Zu diesen zählen ebenso fachliche Kompetenzen, wie die berufliche Erfahrung und individuelle Eignung. Dagegen dürfen einige Kompetenzen keine Rolle spielen, wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das unter anderem auch Bewerbungsverfahren umfasst, gleich in seinem ersten Paragrafen festhält: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“1
Doch nicht nur diese Faktoren können in Bewerbungsverfahren zu einer Ungleichbehandlung führen. Vielmehr zeigen gleich mehrere Studien, dass auch die Attraktivität von Bewerbern einen Einfluss auf ihre Bewertung durch den potenziellen Arbeitgeber hat.2 „Bei diesen Studien gibt es jedoch einige Divergenzen“, gibt Prof. Dr. Kathrin Schütz zu bedenken. „Einige schließen auf einen Effekt, der sich mit dem Satz ‚What is beautiful is good‘ beschreiben lässt. Diesem zufolge wirkt sich die Attraktivität einer Person positiv auf ihre Beurteilung aus. Dagegen zeigen andere Studien den sogenannten ‚Beauty is beastly‘-Effekt, wonach eine große Attraktivität einen Nachteil für den Bewerber darstellt.“ Diesen Divergenzen ging die Dozentin für Wirtschaftspsychologie gemeinsam mit Studierenden der Hochschule Fresenius in zwei empirischen Untersuchungen nach, die im Rahmen von Bachelorarbeiten durchgeführt wurden.2
Die erste Untersuchung stellte männliche Bewerber in den Fokus. Hierbei wurden zunächst zwei standardisierte Bewerbungsfotos einer attraktiven und einer weniger attraktiven Person ermittelt. Anschließend wurden 300 Testpersonen vier verschiedene Bewerbungen – für die zu besetzende Stelle im Online-Marketing passende und unpassende Bewerbungsunterlagen mit jeweils einem Bewerbungsfoto der attraktiven und weniger attraktiven Person – online vorgelegt.
Die Testpersonen bewerteten die Bewerbungen, die nicht zu der Stelle passten, durchschnittlich schlechter als passende Bewerbungen. Gleichzeitig beurteilten sie aber den attraktiven Bewerber unabhängig von der Eignung für die Stelle besser als die weniger attraktive Person. Zudem fiel auf, dass die Attraktivität der Bewerber bei den männlichen Testpersonen einen hohen Stellenwert für die Beurteilung hatte, während sie bei den weiblichen Testpersonen kaum eine Rolle spielte.
Daneben wurde auch der Einfluss des Selbstwertgefühls der Testpersonen auf ihre Beurteilung untersucht. Dabei schätzten die Testpersonen, bei denen zuvor ein hohes Selbstwertgefühl ermittelt wurde, sowohl die Attraktivität als auch die Eignung der Bewerber für die zu besetzende Stelle höher ein als Testpersonen mit einem geringeren Selbstwertgefühl.
„Der Untersuchung zufolge lässt sich sagen: Je attraktiver ein männlicher Bewerber ist, desto eher spricht man ihm auch die Kompetenzen zu, die für die zu besetzende Stelle notwendig sind“, erläutert Prof. Dr. Schütz. „Die Beurteilenden schließen also ganz im Sinn des ‚What is beautiful is good‘-Effekts von der Attraktivität eines Bewerbers auf dessen möglichen Erfolg im Beruf.“
Während in der ersten Untersuchung männliche Bewerber im Mittelpunkt standen, wandte sich die zweite Untersuchung Frauen zu. Nun wurden zwei standardisierten Fotos einer attraktiven und einer weniger attraktiven Frau jeweils Bewerbungsunterlagen für eine Position als Führungskraft und eine Stelle als Sachbearbeiterin zugeordnet. Danach bewerteten 252 Testpersonen die Unterlagen und Bewerbungsfotos mithilfe eines Online-Fragebogens, wobei die Auswertung zwischen Beurteilenden mit beruflichen Erfahrungen mit Bewerbungsprozessen und Urteilenden ohne solche Erfahrungen differenzierte.
Die überraschenden Ergebnisse: Die weniger attraktive Person, die sich auf die Position als Führungskraft beworben hatte, wurde von den Testpersonen am schlechtesten beurteilt. Zugleich erhielt die attraktive Person mit der Bewerbung auf dieselbe Position die beste Gesamtbewertung. Bei der Stelle als Sachbearbeiterin lagen die Bewerberinnen dagegen gleichauf. Zudem bewerteten Testpersonen, die einen professionellen Hintergrund bei Bewerbungsverfahren hatten, tendenziell strenger als Testpersonen ohne einen solchen Hintergrund.
Wie in den bisherigen Studien spielt die Attraktivität von Bewerbern auch in den Untersuchungen eine bedeutende Rolle für die Beurteilung in Bewerbungsverfahren. Zugleich bestätigen die Untersuchungen den ‚What is beautiful is good‘-Effekt, wonach attraktive Personen bessere Chancen bei der Stellensuche haben, und deuten zudem darauf hin, dass die Rolle der Attraktivität bei Frauen von der Art der zu besetzenden Position abhängig ist. Diesen Erkenntnissen gilt es unter anderem aus Gründen der Repräsentativität in zukünftigen Analysen weiter nachzugehen.
Doch was kann man schon jetzt tun, um auch bei der Attraktivität eine Gleichbehandlung zu fördern? „In einem ersten Schritt können Unternehmen Onlineplattformen für Bewerbungen einrichten, auf denen es nicht möglich ist, ein Bewerbungsfoto hochzuladen“, schlägt Prof. Dr. Schütz vor. „In einem zweiten Schritt können sie noch vor einem persönlichen Treffen mit den Bewerbern Telefoninterviews führen. Auf diese Weise können sie dafür sorgen, dass sich ihr Bild der Kompetenzen der Bewerber verfestigt, bevor ihre Attraktivität eine Rolle spielen kann. – Denn unabhängig davon, wie professionell und erfahren die Verantwortlichen in einem Unternehmen sind: Schon ein kurzer Blick genügt, um sich vom Aussehen beeinflussen zu lassen.“
Literatur
1. Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), 2013.
2. Schnödewind, Nina; Wigger, Sebastian; Weigl, Tobias; Schütz, Kathrin: Is beauty beastly? Der Einfluss der Bewerber-Attraktivität auf die Bewertung von Bewerbungsunterlagen. In: Schütz, Kathrin et al. (Hg.): Angewandt-wissenschaftliche Perspektiven der Psychologie. Abschlussarbeiten an der Hochschule Fresenius 2019. Gießen: Psychosozial-Verlag, 2019, S. 39-53.
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