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Ob durch kilometerlange Staus, schwere Auto- und Motorradunfälle oder hohe CO2-Emissionen – der motorisierte Verkehr stellt uns und die Umwelt vor große Herausforderungen. Doch wie muss sich unsere Mobilität verändern, damit die Probleme des zunehmenden Verkehrs gelöst werden können? Und wie kann sie dabei sozial und ökologisch nachhaltig sein?
Mit diesen Fragen beschäftigte sich Georg Völlmicke. Der Absolvent der Hochschule Fresenius in Köln untersuchte in seiner Bachelorarbeit, die von Prof. Dr. Mahammad Mahammadzadeh, Studiendekan für Mobilitätswirtschaft (B.Sc.), betreut wurde, das Konzept der Schwarmmobilität und erarbeitete dabei wichtige Anforderungen an eine nachhaltige Mobilität der Zukunft.*
Jedes Jahr entstehen in Deutschland durch Arbeitszeitverluste infolge von Staus Schäden von bis zu einhundert Milliarden Euro.1 Gleichzeitig entfällt mehr als ein Fünftel aller CO2-Emissionen allein auf den Verkehr.1 Tragfähige Konzepte, die sowohl den Herausforderungen des zunehmenden Verkehrs als auch einer nachhaltigen Mobilität begegnen, sind daher dringend gefragt. Doch derzeitige Modelle wie alternative Antriebssysteme oder Carsharing können nur einzelne Aspekte der vielfältigen Probleme bewältigen.
Eine umfassendere Lösung könnte dagegen das Konzept der Schwarmmobilität bieten, erklärt Georg Völlmicke: „Die Schwarmmobilität vereint Mobilitätskonzepte und –aspekte der Elektromobilität, der Shared Mobility sowie der Konnektivität zwischen Fahrgast und Fahrzeug und bringt damit das Potenzial mit, einige der verkehrsinduzierten Probleme zu lösen.“ Der Absolvent der Hochschule Fresenius in Köln analysierte ausgehend von dem im Jahr 2018 vorgestellten Transportkonzept von NEXT Future Mobility die Schwarmmobilität unter anderem auf sozialer und ökologischer Ebene und erarbeitete dabei zahlreiche Anforderungen an ihre erfolgreiche Realisierung.
Das von ihm untersuchte Modell beschreibt eine batteriebetriebene, autonom fahrende Fahrzeugflotte, die ähnlich wie Bus und Bahn genutzt werden kann. Im Gegensatz zu gängigen öffentlichen Verkehrsmitteln sind die Fahrzeuge aber in der Lage, sowohl einzeln zu fahren als auch sich selbstständig aneinander anzukoppeln. Auf diese Weise können Fahrgäste unabhängig von der Uhrzeit und ihrem Standort einen Wagen individuell anfordern und einen ebenso individuellen Zielort bestimmen.
Während der Fahrt eröffnet das Modell zahlreiche Möglichkeiten, um Fahrgästen weitere Services zu bieten: Die Fahrzeuge verfügen über einen Internetanschluss und ausreichend Raum, um zum Beispiel Büroarbeit zu erledigen. Zudem können sogenannte Side-Window-Entertainment-Systeme, in den Fenstern integrierte Bildschirme, angebracht werden, die es beispielsweise erlauben, auf Unterhaltungsmedien zurückzugreifen oder Bestellungen in Online-Shops zu tätigen. Sind die Fahrzeuge aneinandergekoppelt, besteht darüber hinaus die Möglichkeit, Bistro-Wagen und Wagen mit speziellen Schlafplätzen einzurichten.
Um die Anforderungen an eine nachhaltige Mobilitätsform der Zukunft zu erfüllen, muss die Schwarmmobilität nicht nur zahlreiche ökologische, sondern auch soziale Aspekte berücksichtigen. „Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit“, erläutert Georg Völlmicke, „verlangt eine breite gesellschaftliche Verfügbarkeit, sodass alle Teilnehmenden von ihr profitieren können und gerade benachteiligte Personengruppen nicht ausgeschlossen werden.“
Die Transportmittel müssen also allen Menschen unabhängig von ihrem Alter, dem Einkommen, der Sprache und dem Besitz einer Fahrerlaubnis, aber auch von körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen offenstehen. Neben geringen Kosten für die Beförderung stellt daher eine möglichst einfache Anforderung der Fahrzeuge und Festlegung des Fahrtziels mithilfe einer App eine grundlegende Säule des Mobilitätskonzepts dar. Die App muss dabei sowohl eine Texteingabe- als auch Sprachfunktion enthalten, um auch von hör- oder sehgeschädigten Menschen nutzbar zu sein, und eine Bedienung in mehreren Sprachen erlauben. Darüber hinaus sollten genügend Wagen mit einem Liftsystem oder Schienen ausgestattet sein und Rollstuhlfahrenden ausreichend Platz bieten.
Da die Fahrzeuge batteriebetrieben sind, kann die Schwarmmobilität perspektivisch Strom aus regenerativen Quellen nutzen. Allein schon dadurch liegen die ökologischen Vorteile gegenüber einem Individualverkehr mit Verbrennungsmotoren auf der Hand: So geht das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit davon aus, dass im Jahr 2025 ein Elektroauto im Vergleich zu einem Dieselfahrzeug 32 % und gegenüber einem Benzinauto sogar 40 % an CO2-Emissionen einsparen wird.2
Die Schwarmmobilität birgt aber die Gefahr, dass die Fahrzeuge die Straßenauslastung deutlich erhöhen könnten. Eine Studie errechnete, dass sich etwa 30 % mehr Fahrzeuge gleichzeitig auf den Straßen befinden könnten, da zum Beispiel Fahrgäste aus dem öffentlichen Personennahverkehr, aber auch Fahrradfahrende und jüngere sowie ältere Menschen auf das neue Mobilitätsangebot umsteigen und potenzielle Leerfahrten das Problem zusätzlich verstärken würden.3 Um diese Herausforderung zu bewältigen, müssen gute Anbindungen an andere Verkehrsmittel geschaffen und eine Software entwickelt werden, die es ermöglicht, die Fahrzeuge effizient zu koordinieren. Dabei sollten die Wagen möglichst häufig im Verbund fahren, um die Straßenkapazitäten zu erhöhen. Da höhere Geschwindigkeiten eine schlechtere Energiebilanz nach sich ziehen, sollten zudem die Strecken so gewählt werden, dass die Wagen mit niedrigem Tempo fahren können und trotzdem mit keinem oder einem nur geringen Zeitverlust an ihre Ziele kommen.
Sollte die Schwarmmobilität den gesamten oder zumindest einen großen Teil des motorisierten Individualverkehrs ersetzen, eröffnen sich in Städten für die Wirtschaft, aber auch die Lebensqualität der Menschen zahlreiche Vorteile. „Die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit von Städten kann dahingehend erhöht werden, indem die Erreichbarkeit verbessert wird und es damit für Arbeitnehmende und Reisende attraktiver ist, dorthin zu fahren. Dies ist gerade in Zeiten mangelnder Fachkräfte ein wichtiger Faktor“, erläutert Georg Völlmicke. Städte könnten sich somit besser als Tourismusziele etablieren und es gleichzeitig Arbeitnehmenden leichter machen, in sie ein- und aus ihnen auszupendeln. Dadurch würde sich auch ihre Attraktivität als Arbeitsstandort erhöhen, was wiederum Unternehmen zusätzliche Anreize bieten würde, um sich in ihnen und um sie anzusiedeln.
Weil sich die Fahrzeuge dabei im Optimalfall entweder im Einsatz auf den Straßen oder an einer Ladestation am Stadtrand befinden würden, könnte die Schwarmmobilität zudem das städtische Problem des Parkplatzmangels lösen. Wo sich heute noch Autos aneinanderreihen, könnten in Zukunft Freiflächen entstehen, die vielfältige Möglichkeiten für neue Freizeitangebote wie Parks oder Sportplätze bieten und auf diese Weise gerade in dicht besiedelten Gebieten die Qualität des Stadtlebens steigern würden.
Ob sich die Schwarmmobilität aber tatsächlich durchsetzen kann, hängt auch von unserer Einstellung gegenüber dem autonomen Fahren und öffentlich geteilten Fahrzeugen ab. Denn obwohl heute etwa 90 % der Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind,4 besteht nach wie vor ein großes Misstrauen gegenüber der Sicherheit der autonomen Mobilität. Auch die Nutzung von Carsharing-Angeboten ist in den letzten Jahren zwar deutlich angestiegen, jedoch nutzen in Deutschland nur 12 % der bei einem solchen Dienst angemeldeten Personen das Angebot mehrmals in der Woche.5 Damit die Schwarmmobilität als Mobilitätsform der Zukunft erfolgreich sein kann, müssen also das Risiko von Unfällen beim autonomen Fahren minimiert, die Sicherheit weiter verbessert werden und nicht zuletzt sollten wir unsere Einstellung gegenüber dem persönlichen Besitz von Fahrzeugen verändern. Dann aber kann sie ihr Potenzial entfalten und, so Georg Völlmicke, „viele Anforderungen an eine nachhaltige und innovative Mobilitätsform erfüllen.“
* In seiner Bachelorarbeit „Erfolgreiche Umsetzung der Schwarmmobilität: Anforderungen und Herausforderungen“ untersuchte Georg Völlmicke die politischen, ökologischen, sozialen, technischen, rechtlichen und ökonomischen Aspekte der Schwarmmobilität. Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf ausgewählte Ergebnisse der sozialen und ökologischen Analyse.
Literatur
1.Bratzel, S. (2008): Mobilität und Verkehr. https://www.bpb.de/izpb/9005/mobili-taet-undverkehr#:~:text=Berechnungen%20des%20ADAC%20zufolge%20ent-steht,bis%20zu%20100%20Milliarden%20Euro (zuletzt abgerufen am: 26.04.2021)
2. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2019): Wie umweltfreundlich sind Elektroautos? Eine ganzheitliche Bilanz, 4. Aufl., Berlin 2019.
3. Andersen, N. et al. (2019): Urbane Mobilität und autonomes Fahren im Jahr 2035. Welche Veränderungen durch Robotaxis auf Automobilhersteller, Städte und Politik zurollen, o. O., 2019.
4. Rudschies, W.; Kroher, T. (2020): Autonomes Fahren: Digital entspannt in die Zukunft. https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/ausstattung-technik-zubehoer/autonomes-fahren/technik-vernetzung/aktuelle-technik/ (zuletzt abgerufen am: 26.04.2021)
5. Stolle, W. O. et al. (2019): The Demsystification of Car Sharing. An in-depth analysis of customer perspective, underlying economics, and secondary effects. https://www.de.kearney.com/documents/1117166/0/Car+Sharing.pdf/3bff4a9a-1279-b26f-3b23-8183f14979ce?t=1565363325427 (zuletzt abgerufen am: 26.04.2021)
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