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Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden aktuell über 300 Millionen Menschen weltweit an einer Depression. Mittel zur Früherkennung der Krankheit werden immer relevanter. Nils Ehrbar, Absolvent der Psychologie (B. Sc.) an der Hochschule Fresenius in Düsseldorf, hat sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit digitalen Verhaltensspuren von Twitter-Nutzern beschäftigt. Er ging der Frage nach, ob sich daraus Frühindikatoren für eine Depressivität ableiten lassen. Hierfür wurden 106 aktive Twitter-Nutzer für eine Online-Befragung gewonnen und deren Tweets psycholinguistisch analysiert. Betreut wurde die Arbeit von Dr. Thomas Seppelfricke, Studiendekan für den Bachelor- und Master-Studiengang Wirtschaftspsychologie am Standort Düsseldorf.
Zunächst wurde anhand eines Fragebogens die mentale Gesundheit der teilnehmenden Twitter-Nutzer erfasst. Auf dessen Grundlage unterteilte Ehrbar die Teilnehmenden in zwei Gruppen: eine mit eher depressiver Symptomatik und eine mit depressiv eher unauffälliger Symptomatik. Anschließend verglich er die Tweets der beiden Gruppen und suchte nach Indikatoren für eine bereits vorliegende bzw. sich anbahnende Depression. Grundlage dafür war der psycholinguistische Sprachstil der jeweiligen Person. Denn in der Logik innovativer Forschungsansätze ist Sprache ein guter Prädiktor für die Vorhersage einer depressiven Episode, so der Absolvent.
Für die sprachliche Analyse wurden mehrere Kategorien aufgestellt, die sich unter anderem auf die Anzahl der Wörter pro Satz, das spezifische Vokabular oder verschiedene Satzstrukturen bezogen. Durch den Abgleich mit einem digitalen Wörterbuch konnten Bezüge zwischen den Tweets und einer potenziellen Depressionssymptomatik hergestellt werden.
Die Ergebnisse dieser psycholinguistischen Analyse zeigten, dass die eher nicht-depressiven Befragten mehr Wörter pro Satz verwendeten als die depressiven Teilnehmenden. „Dieses Ergebnis überrascht nicht, da bekannt ist, dass Menschen in einer Depression eine niedrigere kognitive Aktivität aufweisen“, so Dr. Thomas Seppelfricke. Für die Kategorie „Nutzung der ersten Person Singular“ zeigte sich ein leicht höherer Anteil unter den (eher) depressiven Teilnehmenden gegenüber den aktuell nicht-depressiven Teilnehmenden. „Vermutlich handelt es sich hierbei um einen erhöhten Fokus der eigenen Person infolge der durch die Krankheit gestörten Selbstwahrnehmung“, interpretiert Seppelfricke die Ergebnisse.
Darüber hinaus wurde für alle Tweets die Uhrzeit analysiert, zu der gepostet wurde. Hier zeigte sich, dass insbesondere in den nächtlichen Stunden die Anzahl der Posts der (eher) depressiven Teilnehmenden zunahm. Nils Ehrbar erläutert: „So konnte befunden werden, dass die (eher) depressiven Teilnehmenden häufig auch nachts Tweets publizierten, dafür aber vormittags eine deutlich geringere Twitter-Aktivität an den Tag legten. Die Anhäufung nächtlicher Tweets lässt sich womöglich in Verbindung bringen mit den für eine Depression nicht untypischen Einschlaf- und Durchschlafstörungen.“
„Da Menschen einen zunehmend größeren Teil ihrer Zeit online sind, darf sich die moderne Depressionsdiagnostik den Möglichkeiten computergestützter, digitaler Diagnostik nicht verschließen“, schlussfolgert Dr. Thomas Seppelfricke. Twitter hat heute ca. 321 Millionen monatlich aktive Nutzer. Auf Grundlage dieser aktuellen Datenlage sind sich Ehrbar und Seppelfricke einig: eine Art „digitales Frühwarnsystem“ würde sich lohnen. Mit Hilfe eines solchen Systems sei es möglich, frühzeitig Personen zu erkennen, die dem Risiko ausgesetzt sind, an einer Depression zu erkranken.
Im Rahmen seiner Abschlussarbeit konnte Nils Ehrbar Tweets aus einem Zeitraum von zwei Wochen untersuchen. Für zukünftige Forschung sieht er daher Bedarf an einer Ausweitung des Untersuchungsmaterials. Fraglich bleibt allerdings, inwiefern aktuelle Datenschutzrichtlinien eine Erweiterung auf andere Social-Media-Plattformen, wie beispielsweise WhatsApp oder Facebook, ermöglichen, erklärt Ehrbar abschließend.
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