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Der Sport, der aus der Zukunft kommt: Drone Racing

13.09.2018

Drone Racing

Der Sportmarkt ist im Umbruch, das steht auch hierzulande spätestens seit den Diskussionen um den Status von eSport fest. Doch während sich klassische Institutionen noch immer schwertun, den digitalen Newcomer anzuerkennen, steht bereits die nächste Generation neuer Sportarten in den Startlöchern: Drohnenrennen. Welches Potenzial dieser Sport hat, beleuchtet Prof. Dr. Stephanie Heinecke im Gastbeitrag.

Drohnenrennen? Bitte, was? Man mag schnell denken: Das ist sicher ein Sammelbecken für ältere Modellbauflieger und jüngere Nerds. Vielleicht ein netter Freizeitspaß. Definitiv kein Sport. Schon gar nicht für Zuschauer. Nun: Ende Juli verfolgten 3.000 Zuschauer in München die Halbfinals der Drone Racing League (DRL) im Rahmen der DRL Allianz World Championship 2018. Nicht auf einer abgelegenen Wiese oder in einer leeren Fabrikhalle, sondern in der BMW Welt. Eine High-End Location mitten in München, das Publikum bunt gemischt, international, mit vielen Familien. Das Rennen wird ab Herbst auf TV-Sendern wie ESPN oder ProSieben MAXX in 75 Ländern weltweit gesendet.

Drohnenrennen also. Muss man sich das merken? Grund genug, auch aus wissenschaftlicher Perspektive einen Blick auf diese Sportart und ihr Potenzial zu werfen.

Grundprinzip

Die Piloten müssen mit den Drohnen einen festgelegten Kurs absolvieren und dabei sogenannte „Gates“ durchfliegen, die teilweise spektakuläre Manöver erfordern. Dabei erreichen die Drohnen Geschwindigkeiten von teils mehr als 140 km/h. Anders als im klassischen Motorsport oder bei anderen Drohnenrennen steuern Piloten alle exakt die gleichen Drohnen, welche die DRL zur Verfügung stellt. Es gibt keinen Wettbewerb der Konstrukteure. Diese eigene Technologie der DRL ist Grundvoraussetzung dafür, dass Rennen an Locations wie der BMW Welt stattfinden können. Bei privaten Drohnen würde die Funkverbindung innerhalb eines solchen Gebäudes abbrechen.

Dieses Prinzip entspricht durchaus Kriterien, die in der Forschung für die Attraktivität von Sportarten herangezogen werden. Das Format als Rennen ist für Zuschauer höchst transparent und nachvollziehbar. Zudem bieten sich spektakuläre Bilder, Crashs gehören selbstverständlich dazu. Das Schlussgate in der BMW Welt etwa schließt sich langsam, sobald es die führende Drohne durchflogen hat. Ist der Abstand der nachfolgenden Drohnen zu groß, donnern sie ungebremst dagegen. Im Vergleich zum herkömmlichen Motorsport geht das: Niemand kommt zu Schaden, hinter den Kulissen lagern hunderte Ersatzdrohnen. Der Fairnesscharakter ist durch die identische Technologie stark ausgeprägt, es kommt tatsächlich auf die Leistung des einzelnen Piloten an. Der Vorwurf in vielen Sportarten, jemand könne sich bessere Technik oder Spieler leisten und sei daher überlegen, wird ausgeschlossen. Die Veranstaltung ist auf wenige Stunden komprimiert, der Austragungsort ist höchst attraktiv für die Zuschauer und bietet ein besonderes Flair. Ein Maximum an Aktion auf engem Raum in klar definierter kurzer Zeit – dieses aus der Forschung bekannte Prinzip erfolgreicher Zuschauer- und Mediensportarten erfüllt Drone Racing auf jeden Fall.

Der Einbezug der Zuschauer ist dank digitaler Technologie auf besondere Weise möglich: Die Piloten tragen spezielle Brillen, sogenannte Goggles. Diese ermöglichen einen First Person View (FPV), der Pilot sieht das Rennen aus der Perspektive der Drohne, quasi als ob er selbst fliegt. Haben Zuschauer eigene Goggles, können sie sich über verschiedene Kanäle auf die Drohnen der Piloten schalten und das Rennen aus derselben Perspektive erleben.

Zielgruppe und Sponsoren

Viele der Zuschauer fliegen selbst hobbymäßig Drohnen, gerade Kinder begeistern sich dafür, so wie sie sich früher für ferngesteuerte Autos begeistert haben. Drohnen sind günstig, insbesondere im Vergleich zu Geräten anderer Motorsportarten wie Motocross oder Formel1, die hohe Einstiegsbarrieren haben. Die DRL gibt es seit 2015, aber schon vorher haben sich Menschen privat auf Feldern getroffen und Drohnenrennen ausgetragen. Nicholas Horbaczewski, Gründer und CEO der DRL, betont diese Wurzeln beim Gespräch auf dem Münchner Event: „It grew from a grassroot movement into a global sport. On its own, no support, no cooperation, no DRL.” Die DRL habe sich nun zum Ziel gesetzt, den Sport in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu erheben. Gerade dieser globale Charakter an der Basis sowie die TV-Übertragung in 75 Länder ist natürlich auch für Sponsoren wie BMW eine attraktive Option. Technologie und Innovation – sowohl die DRL als auch BMW finden bei diesen Themen einen gemeinsamen Nenner.

Beobachtet man das Marktumfeld, so ist BWM als Event-Partner nicht die einzige Marke, die über digitale Sportarten versucht, neue Zielgruppen zu erschließen. Die Allianz ist Titelsponsor der DRL (in den sozialen Medien durchaus clever kommentiert: „Was in der BMW Welt alles kaputtgehen kann, die müssen ja wahnsinnig sein!“ „Alles halb so wild, die Allianz ist ja auch ein Sponsor.“). Eine ähnliche Entwicklung sieht man im eSport, im professionellen Gaming. Die Zielgruppe, jung, technikaffin, oft männlich, ist über herkömmliche Marketingmaßnahmen nur noch schwer zu erreichen. Sportsponsoring ist schon lange ein beliebter Weg, umso mehr in Zeiten der Digitalisierung und der Entstehung neuer Trends. Während Engagements etwa im Fußball inzwischen kaum mehr durch Originalität auffallen und im schlimmsten Fall nicht mehr korrekt zur Marke zugeordnet werden, erregen Aktivitäten im eSport oder Drone Racing Aufmerksamkeit. Sicher (noch) nicht bei der breiten Masse. Aktuell ist die Zielgruppe teils auch noch nicht im Alter der Kaufentscheider, wird aber in den nächsten Jahren hineinwachsen. Das Sponsoring darf also auch als Investition in die Zukunft verstanden werden. Ein gutes Zeichen: Die 1.000 Plätze im Inneren der BWM Welt waren bereits deutlich vor dem Veranstaltungstag ausverkauft.

eSport hat auch in anderen Aspekten eine Art Vorbildcharakter: Die DRL setzt gezielt auf einen eigenen eSport Simulator, auf dem Drone Racing gelernt und trainiert werden kann, ohne bei den ersten Versuchen massehaft Drohnen zu zerstören. Die Kurse der DRL können virtuell abgeflogen werden und über einen globalen Wettkampf ist es sogar möglich, sich für die „echte“ DRL zu qualifizieren. Jeder kann teilnehmen, weltweit. Jawz, DRL Pilot aus Indianapolis, kam auf genau diesem Wege in die Liga und ist jetzt Profi. „We are blurring the line between the digital and the physical“, so DRL-Gründer Horbaczewski. „Our fans tell us it´s like a real life video game (…) We make it real. Real life eSport.”

Andere Piloten, wie die beiden Deutschen Andreas „McStralle“ Hahn und Niklas „Upsidedown FPV“ Sole, kamen über die Modellflugszene zu Drone Racing. Sie stecken mit Freunden Routen mit Gates und Fahnen ab und trainieren Manöver. Viele von ihnen sind bei YouTube aktiv. Es gibt eine weltweite Community, die über die Plattform zusammenfindet und nun mit der DRL und ihren TV-Partnern nochmals stärker öffentlich sichtbar wird.

Spitzensport oder TV-Serie?

Die DRL hat globale TV-Verträge und wird in 75 Länder übertragen. Allerdings: Es handelt sich – anders als in vielen klassischen Sportarten – nicht um Live-Übertragungen. Journalisten des Juli-Events sind angehalten, ein Embargo auf die Ergebnisse bis zum Ausstrahlungstermin einzuhalten. Ab Herbst wird die DRL auf diversen Sendern als serielles Format gesendet. Man bewege sich zwar durchaus in Richtung Live-Broadcast, so Horbaczewski, der bisherige Modus habe aber durchaus Vorteile: Jeder Sender kann die Rennen zur besten Sendezeit des jeweiligen Landes auswerten. Da sich Drone Racing stark als globale Sportart definiert, muss so keine Rücksicht auf die Austragungszeiten der Events genommen werden.

Blickt man in die Forschung zum Zusammenspiel von Sport und Medien, so ist die zeitliche Abstimmung mit übertragenden Sendern in vielen Sportarten ein kritisches Thema. Insbesondere, weil gerade in Deutschland der Fußball den TV-Sport extrem dominiert. Andere Sportarten suchen für ihre Großveranstaltungen nicht selten gezielt Termine, an denen die Bundesliga bereits beendet oder in der Winterpause ist. Live-Berichterstattung oder die zeitnahe, aktuelle Zusammenfassung haben normalerweise einen hohen Stellenwert. Gerade in Zeiten der sich immer stärker in Richtung Echtzeit entwickelnden Nachrichten über digitale und soziale Kanäle mag die Strategie der DRL zunächst wie ein Rückschritt oder ein aufzuholendes Defizit erscheinen.

Andererseits: Vielleicht ist es der jungen Sportart gerade deswegen gelungen, globale Medienpartner zu finden. Wenn die Programmplaner auf ihre individuelle Situation und Hauptsendezeit eingehen können, ist die Einstiegsbarriere deutlich niedriger. Als Serie kann die DRL dabei genau das tun, was auch in klassischen Sportarten wichtig ist: Storytelling über den Saisonverlauf betreiben, Geschichten vom Aufstieg und Fall der Helden erzählen. Durch die Postproduktion lässt sich der Spannungsbogen stärker herausarbeiten als bei einer Live-Übertragung. Die Sportart ist noch nicht so groß, dass die Fans auf Ergebnisse in Echtzeit drängen. Vielmehr muss sie über einen guten Unterhaltungswert an Popularität gewinnen. Je mehr Zuschauer hängen bleiben, desto besser für die Akquise von Sponsoren.

Die Auswahl der Piloten erfolgt durch die DRL, sie erhalten ein Gehalt. Durch diese feste Bindung besteht Planungssicherheit, die Protagonisten bleiben über die Saison gleich und bieten als Charaktere Identifikationspotenzial. Schon bei der Vorstellung und in den Programmflyern wird jeder Pilot mit einem besonderen Attribut versehen, z. B. McStralle als „Der Speed-Fanatiker“ oder Upsidedown als „Der Local“ des Münchner-Events, er wird von den Fans auch entsprechend gefeiert. Eine solche Personalisierung ist ein weiteres anerkanntes Erfolgskriterium für die Vermarktung von Sportarten.

Drone Racing – muss man sich das merken?

Welche Entwicklung lässt sich für Drone Racing erwarten? Potenzial hat die Sportart auf jeden Fall, auch wenn sie ähnlichen Diskussionen ausgesetzt sein wird wie eSport in Hinblick auf den Status als Sportart. Durch den globalen Charakter und das Erlebnis für einen sehr unterschiedlichen Fankreis ist ein Gewinn an Popularität jedoch nicht abwegig. Geht die DRL den klassischen Weg vieler Sportarten, so ist eine Vermehrung von Events zu erwarten sowie ein Ausbau der entsprechenden Vermarktungskanäle. Auch Frauen zu gewinnen, wird ein Thema sein: Alle aktuellen Piloten der DRL sind männlich, obwohl die Sportart laut Horbaczewski an alle gerichtet sei: „It´s amazing that it appeals to everybody in a demographic range. People have different backgrounds and nationalities; men and women are watching this sport.“ Tatsächlich treffen all diese Punkte auf die Veranstaltung in München zu, mit der Zeit jedoch wird sich auch die Piloten-Riege öffnen müssen. Interesse ist vorhanden, wenn man sich entsprechende Präsenzen von Pilotinnen in den sozialen Medien ansieht.

Was auf jeden Fall einzigartig ist, ist die Möglichkeit der direkten Zuschauerbeteiligung über FPV. Je nachdem, wie schnell sich solche oder ähnliche Endgeräte für andere Anwendungen auf dem Massenmarkt durchsetzen (siehe Virtual Reality, Augmented Reality), besteht hier Potenzial, auch weniger primär technologie-affine Menschen zu erreichen. Der Traum vom Fliegen wird fast real.

In Bezug auf das weitere Wachstum wird sicher die Frage nach einer einheitlichen Organisationsstruktur aufkommen. Die DRL ist nur eine von verschiedenen Rennserien für Drohnen. Dieses Thema ist bereits aus der Diskussion um eSport bekannt, insbesondere in Hinblick auf die Frage nach einer Anerkennung als olympische Sportart (neben diversen anderen Streitpunkten natürlich). Dass Drone Racing „echter“ Sport ist, steht weder für die Athleten noch für BMW oder die DRL in Frage. Ob ein olympischer Status jedoch wirklich ein Ziel ist, ist für Horbaczewski fraglich. Auch wenn es entsprechende Diskussionen gibt, sei das primäre Ziel der DRL vielmehr die weltweite Verbreitung und die Aktivierung der entsprechenden Fanbasis. Das muss nicht über Olympia sein. Eine gewisse Rolle werde Drone Racing aber spielen im Kontext von Sport und Digitalisierung: „The sports world is changing. Things don´t stay the same. People sometimes call DRL the sport of the future and we like to say it´s a sport from the future. We will be part of the movement that creates new opportunities.”