Wer schon einmal einen gebrochenen Arm oder ein gebrochenes Bein hatte, kennt die Behandlung mit Gipsverbänden und welche Schwierigkeiten diese mit sich bringt: Der Gips ist eng, unhandlich und wenn es juckt, kommt man nicht gut an die betroffenen Stellen heran. Vom Waschen ganz zu schweigen! Moritz Rath, Absolvent der Hochschule Fresenius in Hamburg, hat sich in seiner Bachelor- und Masterarbeit mit einer innovativen Lösung für dieses Problem auseinandergesetzt – und einen maßangefertigten Gipsverband aus dem 3D-Drucker entwickelt. Darüber haben wir mit ihm gesprochen.
Wie entstand Ihre Idee, einen Verband zu drucken?
Gipsverbände sind eine sehr unangenehme Sache. Besonders bei Kindern stellen Gipsverbände Schwierigkeiten dar, da diese einen natürlichen Bewegungsdrang haben und ständig Rücksicht auf ihre Verletzung und den Verband nehmen müssen. Ich dachte mir: Dafür muss es doch eine andere Lösung geben! Da ich während meines Bachelorstudiums 3D-Design & Management (B.A.) mit den Themen Additive Fertigung und 3D-Druck gearbeitet hatte, entstand die Idee, einen Verband zu drucken. Dieser ist an jeden Patienten individuell angepasst, weder kratzig noch eng, sondern luftdurchlässig und mit der Freiheit, damit duschen zu gehen.
Wie sind Sie bei der Entwicklung vorgegangen?
Im Rahmen meiner Bachelorarbeit habe ich einen klassischen Design-Prozess durchlaufen. Um zu klären, ob ein 3D-gedruckter Gips überhaupt medizinisch sinnvoll ist, habe ich zuerst ein Experteninterview geführt: mit einem mir bekannten Hausarzt. Er bestätigte mir, dass die relativ simple Funktion, die ein Gipsverband übernimmt – die Extremität (in meinem Fall den Arm) ruhigzustellen – natürlich auch von einem Modell aus dem 3D-Drucker übernommen werden kann.
Das Material PA12 habe ich auf Basis existierender Studien ausgewählt. Es ist sehr gut hautverträglich. Ich musste jedoch testen, welche Struktur der Verband bekommen soll: Welche ist besonders bruchfest? Hierzu nutzte ich das recht einfach zu druckende Material PLA. Ich werde sicher nicht vergessen, wie der geliehene 3D-Drucker für die vielen Probedrucke vier Tage lang das Badezimmer meiner Studentenwohnung blockierte! Letztendlich stellte sich heraus, dass sich ein organisches, netzartiges Design am besten eignet – das sieht ganz nebenbei auch sehr stylisch aus.
In Ihrer Masterarbeit im Studiengang Digitales Management (M.A.) haben Sie das Projekt weiterverfolgt.
Ja, dabei habe ich mich mit der heutigen Markteinführung meines 3D-gedruckten Verbandes beschäftigt.
Ist Ihr Produkt denn schon soweit ausgereift?
Nein. Im Zuge meiner Bachelorarbeit habe ich erst einmal einen Prototypen entwickelt. Alles andere hätte ich in diesem Rahmen nicht umsetzen können. Für die Analyse der Marktreife habe ich aber angenommen, es sei ein finales Produkt.
Davon ausgehend habe ich verschiedenste Experteninterviews geführt: unter anderem mit einem Orthopäden, einem Experten für 3D-Scans, 3D-Druckereien, einem sehr innovativen Sanitätshaus, einem Start-up-Förderer und natürlich mit Patienten, die einen herkömmlichen Gips tragen. Würden Patienten und Mediziner den 3D-gedruckten Verband akzeptieren? Welche vorhandenen Geräte eignen sich am besten für den Scan des gebrochenen Körperteils und welche für den Druck des Verbandes? Wer würde die Herstellung des Verbandes übernehmen? Diese Fragen wollte ich mithilfe der Interviews klären.