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Die Arbeitswelt steht im Wandel – in einigen Branchen und Bereichen wurde die Remote-Arbeitszeit ein wichtiger Bestandteil des Alltags. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung zusätzlich beschleunigt und dem Wort Homeoffice eine neue Gewichtung verliehen. Zahlreiche Unternehmen haben erkannt, dass einige Mitarbeitende gar nicht mehr vor Ort in einem Büro sitzen müssen. Sie können ihre Arbeit genauso gut – teilweise sogar produktiver – von zu Hause aus verrichten. Und wenn das von zu Hause aus funktioniert, wieso dann nicht auch von überall aus?
Alumnus Fabio Hildenbrand hat sich während seines International Business Studiums mit Backpackertrail selbstständig gemacht und sieht im flexiblen Arbeiten viele Vorteile. In seinem Start-up, in dem mittlerweile Menschen aus 24 Nationen arbeiten, können Reisen und Arbeiten unter einen Hut gebracht werden. Ganz wichtig für ihn: Teambuilding und ein ausführliches Onboarding neuer Mitarbeitenden, bevor die Reise losgeht. Alleine oder im Team – die Möglichkeit, zu Reisen ist ein wichtiger Bestandteil bei Backpackertrail. So werden Kund:innen Reiserouten und Urlaubsorte teilweise live vorgestellt mit echten Tipps und Tricks für das Backpacking, die sich bewährt haben.
„Früher war meine Arbeit sehr zentralisiert. In den Semesterferien und im Auslandssemester habe ich schon versucht, auch von woanders zu arbeiten – so effektiv wie heute hat man da aber nicht gearbeitet, wenn ich ehrlich bin. Durch die Pandemie hat sich die Arbeit insgesamt ins Digitale verlegt, sodass es jetzt ein ganz anderes Arbeiten ist“, berichtet der Alumnus. Und dabei sei es auch völlig egal, ob man in Deutschland, Malta oder anderswo sei. Wichtig seien Absprachen und Planung, damit das auch wirklich funktioniere. Das Team dürfe sich durch räumliche Distanz nicht aus den Augen verlieren.
„Langfristig wollen wir von überall arbeiten können“, wünscht sich der junge Unternehmer und betont: „Wir möchten dann gerne mit dem ganzen Team irgendwo hinreisen, dort ein Haus für eine gewisse Zeit mieten und gemeinsam von dort arbeiten. Das schafft eine ganz andere Teamdynamik als wir es im Office je haben könnten.“ Teamevents im Office oder irgendwo auf der Welt seien wichtig für den Zusammenhalt – in einer ungewohnten Umgebung wachse man nochmal ganz anders zusammen als im Büro.
Alleine zu reisen während der Arbeitszeit, sei aber natürlich auch kein Problem. Coworking-Spaces oder Hostels böten eine gute Möglichkeit, zu arbeiten und vor allem international Networking zu betreiben. Reist man alleine und arbeitet dabei, schule das ganz andere Skills als wenn man einfach nur in den Urlaub fahre. Zeitmanagement spiele beim Arbeiten auf Reisen eine sehr große Rolle und Fabio Hildenbrand ist sich sicher: „Selbstständigkeit und effiziente Planung – das ist das, was Arbeitgeber später an ihren Mitarbeitenden schätzen werden.“
„Für die Gen Z ist Flexibilität und Freiheit wichtig. Das gilt vor allem auch für das Berufsleben. Die wollen sich kreativ ausleben, wann und wo sie wollen. Klar wird es immer Branchen geben, die feste Arbeitszeiten brauchen und in denen mobiles Arbeiten nicht möglich ist, aber gerade in kreativen und digitalen Berufen wird der Aufenthaltsort zunehmend egal. Unternehmen sollten sich da jetzt schon drauf einstellen“, glaubt Fabio Hildenbrand.
Ein kreatives Umfeld müsse demnach eben nicht an einen Ort gebunden sein. Kreativität könne sich auf Reisen ganz anders entfalten. Hierin sieht der Unternehmer die größten Vorteile am flexiblen Arbeiten.
„Der Trend geht ganz klar in Richtung mobiles Arbeiten. Viele Unternehmen sind dabei, ihre Büroflächen umzugestalten. Das klassische Einzel- oder Doppelbüro hat vielerorts bereits ausgedient“, so Dr. Michael Fuhlrott, der als Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg lehrt und als Fachanwalt für Arbeitsrecht insbesondere Unternehmen und deren Personalabteilungen berät. „Viele Beschäftigte stellen zwischenzeitlich aktiv die Frage nach der Möglichkeit, mobil zu arbeiten. Für die Arbeitgeberattraktivität ist dies mittlerweile ein wichtiger Faktor“, meint Michael Fuhlrott. Einen rechtlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten gibt es hingegen derzeit weiterhin nicht.
Die Kombination von Reisen und Arbeiten ist daher bislang auch eher eine Ausnahmeerscheinung in der Arbeitswelt. „Nach dem Gesetz ist eine Zeitspanne entweder Arbeit oder eben Freizeit, Mischformen kennt das Arbeitsrecht nicht“, so Michael Fuhlrott. Natürlich seien die Grenzen in der Praxis teilweise fließend. Ist das gemeinsame Kicker-Spielen im Aufenthaltsraum als Arbeitspause zu bewerten oder ist es Arbeitszeit? Diese Frage müssten sich Arbeitgeber stellen, die die gesetzlichen Höchstgrenzen bei der Arbeitszeit zu beachten haben. „Flexibilität ist hier wenig gegeben, da es sich um Schutzvorschriften für Beschäftigte handelt, die zwingend zu beachten sind“, erläutert Michael Fuhlrott. „Bei mobilem Arbeiten im Ausland stellen sich zudem noch sozialversicherungsrechtliche Fragen. Wer zahlt, wenn ein Arbeitsunfall eintritt? Sind die Sozialversicherungsbeiträge in das deutsche oder das ausländische Sozialversicherungssystem abzuführen?“ Wird zudem im Nicht-EU-Ausland gearbeitet, stellen sich womöglich auch Fragen des Aufenthaltsrechts: Erlaubt das Visum auch die Arbeit im jeweiligen Land oder nur den touristischen Aufenthalt. „Auch kann es bei dauerhafter Arbeit aus dem Ausland komplizierte Fragen dazu geben, welches Arbeitsrecht bei Streitigkeiten überhaupt anwendbar ist: Findet deutsches Arbeitsrecht Anwendung oder gilt dann womöglich das neuseeländische Arbeitsrecht?“ All diese Punkte führten dazu, dass Unternehmen der Arbeit aus dem Ausland heraus eher kritisch gegenüberstünden oder zumindest genaue Regelungen einforderten.
In einer ausgeglicheneren Work-Life-Balance sieht Fabio Hildenbrand einen weiteren Vorteil am flexiblen Arbeiten. „Ich glaube, dass man beides braucht. Eine Basis, in der man verwurzelt ist und mit dem Team zusammenkommt sowie die Möglichkeit, auf Reisen zu arbeiten. Es ist nicht vorteilhaft, wenn du das ganze Jahr über reist und arbeitest. Je nachdem wie es läuft und auch wie die Infrastruktur vor Ort ist, kann es sein, dass die Arbeit zu kurz kommt. Du brauchst einen Mix aus Office und On the Road“, so Fabio Hildenbrand. Von einem starren 8-Stunden-Tag möchte er sich aber auch eher lösen: „Wenn die Mitarbeitenden ihr Leben selbst bestimmen können und nicht klassisch Nine-to-five ins Büro müssen, stärkt das die Work-Life-Balance und das Wohlbefinden der Leute. Es gibt ja schon Unternehmen, die während der Pandemie komplett auf Remote umgestellt haben und ich glaube, dass mehr Unternehmen die Vorteile von so einer großen Flexibilität von Ort und Zeit noch erkennen werden.“
Doch warum halten so viele Unternehmen denn eigentlich noch an der klassischen Büroarbeit fest? Fabio Hildenbrand meint, das liege an der Ungewissheit, ob die Mitarbeitenden am Strand oder wo auch immer auch wirklich ernsthaft arbeiten würden. „Im Büro sehe ich die Leute eben, obwohl die da teilweise ja auch nur ihre acht Stunden absitzen und gar nicht wirklich produktiv sind.“
Mobiles Arbeiten birgt für Unternehmen in rechtlicher Hinsicht zudem immer noch Unsicherheiten. „Der Gesetzgeber ist hier bislang nicht wirklich aktiv geworden“, so Arbeitsrechtler Fuhlrott. In der Corona-Pandemie hat es zwar einen wahren Homeoffice-Boom gegeben und es bestand für eine vorübergehende Zeit die Verpflichtung für Arbeitgeber, ihre in Büroarbeit Beschäftigten von zu Hause aus arbeiten zu lassen, aber langfristige rechtliche Lösungen seien nicht in Sicht: „Verschiedene Gesetzesentwürfe, die jedenfalls teilweise ein Recht auf mobiles Arbeiten gewähren sollten, haben letztlich nicht die erforderliche Mehrheit im Parlament gefunden“, schildert Michael Fuhlrott. Dabei habe die Entwicklung der letzten Monate gezeigt, dass Arbeiten auch mobil möglich ist: „Viele der Unternehmen, die wir arbeitsrechtlich beraten, haben von heute auf morgen ihre Beschäftigten ins Homeoffice geschickt. Die Erfahrungen waren größtenteils positiv.“
Wichtig seien für Unternehmen aber klare Regelungen. So müsse geregelt werden, wie der Arbeitsplatz ausgestaltet ist, Fragen des Gesundheitsschutzes und des Datenschutzes seien zu beachten und in Unternehmen mit Betriebsräten haben diese zudem ein weites Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von mobiler Arbeit. Und nicht zuletzt muss die Arbeitszeit gemessen werden: Auch Beschäftigte im Homeoffice sind an die Vorgaben des deutschen Arbeitszeitgesetzes gebunden. Mehr als acht Stunden regelmäßig am Tag darf danach nicht gearbeitet werden, selbst wenn Unternehmen und Beschäftigte dies wollen.
„Es sollte weniger auf Arbeitszeit als auf tatsächliche Leistung geachtet werden“, findet Fabio Hildenbrand. Feldstudien aus Island beispielsweise zeigten, dass Mitarbeitende mit reduzierter Arbeitszeit und gleichem Gehalt nicht nur zufriedener waren. Auch die Leistung blieb gleich – bei weniger Arbeitswochenstunden. Wenn die Work-Life-Balance stimmt, kann sogar die Produktivität zunehmen. „Wenn man einmal flexibel gearbeitet hat und das mag, sucht man sich auch den nächsten Arbeitgeber danach aus, damit man flexibel bleiben kann. Unternehmen werden darauf reagieren müssen und ich glaube, dass es langfristig mehr Geschäftsmodelle geben wird als das, was wir heute kennen“, prognostiziert Fabio Hildenbrand.
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