cauca miranda

Fair und nachhaltig – Ein Social Start-up in Kolumbien

Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein wird für viele Menschen immer wichtiger. Auch große Unternehmen produzieren ihre Ware vermehrt nachhaltiger oder bemühen sich zumindest um ein nachhaltiges Image. Doch steckt auch immer drin, was drauf steht? Und was kommt am Ende bei Kaffeebauern, Schneidereien oder anderen Erzeugern an? Diese und andere Gründe bewegten Student Johnnatan Schüßler dazu, neben seinem Studium ein Social Start-up zu gründen. Sein Ziel ist, nachhaltig produzierten Kaffee aus Kolumbien zu vertreiben und faire Bedingungen für die Produzenten vor Ort zu schaffen. Hinter seinem Projekt verbirgt sich jedoch noch viel mehr.

Johnnathan Schüßler und Christian Buchwald
Johnnatan Schüßler und sein Mitgründer Christian Buchwald auf Reisen in Kolumbien.

EIN EHRENAMT MIT VISION

Nach Jahren des ehrenamtlichen Engagements in Schülervertretung, Jugendheimen oder dem AStA, wollte Johnnatan Schüßler, Student der Wirtschaftspsychologie in Köln, einen Schritt weiter gehen. Aus einem Projekt (K.I.N.D. – Kreativität, Innovation, Nachhaltigkeit und Disruption), das er mit dem AStA-Kollegen Jonas Fesser und seinem damaligen Mitbewohner Till Reimann begonnen hat, entwickelte sich My Fair Network. Seine kolumbianischen Wurzeln trugen dazu bei, sich mit der sozialen und wirtschaftlichen Situation vor Ort auseinanderzusetzen. „Wir suchten nach Geschäftsmodellen und Möglichkeiten, Ländern wie meinem Herkunftsland zu helfen. Dabei ging es uns um eines der großen Probleme in solchen Entwicklungsländern: Die für die empfindliche Tropennatur schädliche Monokultur, die soziale Ungerechtigkeit durch die westliche Verlagerung der Wertschöpfung in die Konsumentenländer und der Ausschluss „ärmerer“ Menschen aus Wissen, Innovation und Fortschritt“, erklärt Schüßler. Auf der Suche nach einer Lösung, bereiste er mehrmals seine Heimat und entwickelte die Idee für My Fair Network. Warum Johnnatan Schüßler sich vorerst auf Kaffee konzentriert? „Kaffee ist in der südamerikanischen Landwirtschaft mit am besten ausgebaut und hat eine gewisse Infrastruktur im Land. Somit konnten wir von Anfang an mehr Leute einbinden. Unser Modell soll grundsätzlich in der tropischen Landwirtschaft angewendet werden, aber irgendwo muss man ja anfangen. Also haben wir mit Kaffee gestartet.“

WAS HAT ES MIT MY FAIR NETWORK AUF SICH?

Mit einem vergleichsweisen geringen Startkapital haben Johnnatan Schüßler und seine Mitgründer Till Reimann und Christian Buchwald dieses Social Start-up ins Leben gerufen. Die ehemalige studentische Wohngemeinschaft setzt sich nun mit My Fair Network in Kolumbien ein. Der Grundgedanke war nicht wirtschaftlich orientiert, sondern sozial, nachhaltig und fair. Seit 2019 arbeitet My Fair Network direkt mit Kaffeebauern in Kolumbien zusammen, sodass ein hochwertiger Premiumkaffee unter fairen Bedingungen produziert und in Deutschland vertrieben werden kann. Zur Arbeit von Schüßler und seinen Mitstreitern gehört auch die Beratung der Produzenten vor Ort, um Lösungen für Umwelt-, Klima- und soziale Probleme in den Tropen zu schaffen. So wurde ein deutsch-kolumbianisches Netzwerk geschaffen, das aus Kaffeebauern, Agraringenieuren, Technikern, Kaffee Sommeliers und anderen besteht. Seit einiger Zeit wird dieses Netzwerk auf Personen aus Politik, Kaffeeverbänden, Providern, Experten und Universitäten ausgeweitet. Johnnatan Schüßler übernimmt das Netzwerken zum Großteil selbst, reist dafür durch ganz Kolumbien und packt vor Ort auch tatkräftig mit an. Wo er früher nicht ernst genommen wurde, weil keine große Firma hinter seinem Projekt stand, hat er heute Tippgeber, die ihn beispielsweise auch vor gefährlichen Gegenden warnen, in denen er und seine Arbeit als Störinstanz angesehen werden könnte.

My Fair Network zeichnet sich vor allem auch durch soziale Unterstützung aus. Die Beratung beinhaltet beispielsweise das Gründen von Vereinigungen. „Aus der Distanz und vor Ort habe ich eine Bauernvereinigung in Palmira Valle del Cauca aufgebaut. Das war nicht leicht und ist es auch weiterhin nicht. Auch wenn es wirtschaftlich nicht signifikant ist, habe ich es geschafft, den Menschen in meiner Geburtsstadt Hoffnung zu geben und ihnen eine Richtung zu zeigen“, sagt Johnnatan Schüßler stolz. Er selbst wurde bei seiner Arbeit bereits überfallen, hat sich jedoch nie unterkriegen lassen, weil er etwas Gutes schaffen will. Es geht ihm eben nicht nur um den Kaffee und diesen zu verkaufen. Es geht um die Lebens-, Arbeits-, und Produktionsbedingungen der Einheimischen. Der Fokus von My Fair Network liegt nicht auf der Wirtschaftlichkeit, sondern auf Nachhaltigkeit und Fairness – mit allen relevanten Aspekten.

Johnnatan Schüßler packt auch vor Ort tatkräftig mit an.
Johnnatan Schüßler packt auch vor Ort tatkräftig mit an.

RUNDHERUM NACHHALTIG?

Um ein nachhaltiges Produkt zu vertreiben und zu vermarkten, gehört nicht nur die Optimierung des Kaffeeanbaus und der Arbeitsbedingungen zu Aspekten, die beachtet werden müssen. Auch Verpackung und Transportwege spielen eine wichtige Rolle. Das weiß auch Johnnatan Schüßler, der sich dafür einsetzt, dass der Plastikanteil der Verpackungen reduziert wird und die Frischestandards weiterhin eingehalten werden. Der Kaffee wird in Kolumbien produziert und geröstet, für den Export nach Deutschland ist er jedoch auf die gängigen Versandunternehmen angewiesen. Schüßler wünscht sich, dass es auch hierfür bald eine noch bessere Lösung geben wird.

EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT

Das gesamte Projekt ist langfristig angelegt. My Fair Network will etwas bewegen und das braucht Zeit. Allmählich werden auch Investoren auf das Social Start-up aufmerksam und das Gründerstipendium NRW und die Wirtschaftsförderung Leverkusen fördern das Unternehmen bereits. Das Probierwerk Leverkusen begleitet und berät das Projekt. Bisher handelt es sich bei My Fair Network aber dennoch eher um ein soziales Projekt, das einem Ehrenamt gleicht.

„Wir wollen ein nachhaltiges Wachstum im Einklang mit der Natur erreichen und das funktioniert nicht über Fairtrade-Zertifikate, die versuchen, Umwelt- und soziale Probleme über einen symbolischen Mehrwert zu lösen“, meint Johnnatan Schüßler und fügt hinzu: „Eine Zertifizierung in Kolumbien und die Aufrechterhaltung dieser kostet unglaublich viel und bringt dem Produzenten nur minimalen wirtschaftlichen Mehrwert. Wir konzentrieren uns daher darauf, dass beispielsweise die Bezahlung der Produzenten fair ist und garantiert wird.“ Zukünftig soll daher auch weiterhin auf die guten und nachhaltigen Arbeitsbedingungen in Kolumbien Wert gelegt werden. Hierzu werden die Kaffeebauer beraten, wie sie ihren Betrieb optimieren und somit gleichzeitig die Qualität des Produktes steigern können. Bessere Qualität sorgt im nächsten Schritt für einen Mehrerlös und somit einem wirtschaftlichen Mehrwert für die kolumbianischen Produzenten. Um die Monokultur abzuschaffen, schulen Schüßler und sein Team die Kaffeebauer, wie sie ein biodiverses Agrarforstsystem verwenden. Hierbei werden neben Kaffeepflanzen auch andere Nutzpflanzen, Sträucher und Gräser angepflanzt, die sich positiv auf das Klima auf den Feldern auswirken. „Kolumbien ist das Land mit der zweithöchsten Artenvielfalt auf der Welt, doch laut eines Berichts des WWF sind etwa 50% des kolumbianischen Ökosystems bedroht oder im kritischen Zustand.“ Daher bemüht sich My Fair Network um die Erhaltung dieser Artenvielfalt und bringt die Wirtschaftlichkeit des Kaffeeanbaus mit der Nachhaltigkeit in Einklang. Gleichzeitig sollen soziale Ungerechtigkeiten aus der Welt geschafft werden – ein Mammutprojekt also, das als Ehrenamt begann, mit viel Herzblut durchgeführt wird und große Ziele verfolgt.

Der nächste Schritt ist, das ganze Projekt größer aufzuziehen. Um sich seinem Unternehmen – seiner Leidenschaft – noch intensiver widmen zu können, hat Johnnatan Schüßler mittlerweile sein Studienformat gewechselt. Statt in Vollzeit studiert er nun im Fernstudium und kann somit seine Arbeit als Unternehmensgründer mit seinem Studium besser in Einklang bringen. Parallel dazu kann er auch weiterhin das Netzwerk der Hochschule nutzen und My Fair Network in Deutschland bekannter machen.