Auf einer Tafel ist sind mit Kreide sehr viele Nachkommastellen der Zahl Pi aufgeschrieben.

Zum Pi Day: von Archimedes zu ChatGPT

Was Mathematik für Technology und Technology für die Zukunft bedeutet

Es gibt nicht viele Zahlen, die einen internationalen Jahrestag haben. Die Kreiszahl Pi übt aber ihre ganz eigene Faszination aus: Schon vom antiken griechischen Mathematiker Archimedes (ca. 287-212 v. Chr.) näherungsweise bestimmt, beschreibt sie zunächst ganz einfach das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser. Doch sie ist auch irrational und transzendent, hat also vereinfacht gesagt unendlich viele, sich nicht periodisch wiederholende Nachkommastellen und kann weder als Bruch noch als Nullstelle einer Polynomfunktion dargestellt werden. Dabei ist sie ein elementarer Bestandteil der Mathematik und damit auch wichtig für Technologien, die unseren Alltag prägen.

Zum Pi Day am 14. März sprachen wir mit Prof. Dr. Sasa Novakovic, Professor für Mathematik und Statistik, und Prof. Dr. Thomas Becker, Prodekan für den Fachbereich Wirtschaft & Medien an der Hochschule Fresenius in Düsseldorf. Sie entwickelten gemeinsam die Technology-Studiengänge Data Science & Business Intelligence (B.Sc.), Web Engineering & Development (B.Sc.) sowie Business Management & Digital Technology (B.Sc.). Im Interview reden sie nun über die Zahl Pi, Mathematik und Technik, die Rolle von Techniker:innen in der Berufswelt und darüber, wie neue Technologien wie ChatGPT diese verändern können.

Für die meisten Menschen klingt es nicht gerade gewöhnlich, dass einer Zahl ein Jahrestag gewidmet ist. Was macht die Zahl Pi so besonders?

Prof. Dr. Sasa Novakovic: Die Zahl Pi hat seit der Antike eine wichtige Bedeutung für Kultur und Technik und damit für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft. In der Mathematik taucht Pi in unterschiedlichen Disziplinen auf, zum Beispiel in der Geometrie, der Wahrscheinlichkeitstheorie, der Analysis, der Zahlentheorie und der Topologie. Aber auch in der Physik hat Pi eine große Bedeutung.

In der Antike haben Ägypter und Babylonier Annäherungen an Pi gekannt und diese für ihre Berechnungen genutzt. Später haben das antike Griechenland, China und Indien ebenfalls mit einer Annäherung von Pi gerechnet. Warum sage ich hier Annäherung? Für Archimedes und auch für viele Mathematiker nach ihm war noch unklar, ob die Zahl Pi eine rationale Zahl ist, also als Bruch von zwei Zahlen geschrieben werden kann. Die Frage konnte erst im 18. Jahrhundert negativ beantwortet werden. Die Zahl Pi ist somit eine irrationale Zahl, kann also nicht als Bruch geschrieben werden und hat folglich eine unendliche nicht-periodische Dezimalentwicklung. Außerdem ist Pi auch nicht Nullstelle eines nicht-trivialen Polynoms mit rationalen Koeffizienten. Das impliziert, dass die Quadratur des Kreises mit Zirkel und Lineal unmöglich ist. Auch das wurde erst im 18. Jahrhundert herausgefunden. Was man beispielsweise bis heute noch nicht weiß, ist, ob Pi eine normale Zahl ist. Normal nennt man eine Zahl, wenn unter ihren Nachkommastellen alle möglichen beliebig langen Ziffernblöcke mit der gleichen relativen Häufigkeit auftreten. Wenn Pi normal wäre, würde ihre vollständige Stellenwertdarstellung zum Beispiel alle bisher und zukünftig geschriebenen Bücher in codierter Binärform enthalten.

Heute kennt man eine Menge von Verfahren und Algorithmen zur näherungsweisen Berechnung von Pi. Durch das Berechnen von immer exakteren Approximationen von Pi kann man zum Beispiel die Leistungsfähigkeit von Supercomputern testen. Zusammengefasst gibt es also viele Gründe, warum der Physiker Larry Shaw 1988 das erste Mal den Pi Day zelebrierte. Als Datum wählte er den 14.03., also 3/14 in US-amerikanischer Datumsschreibweise, denn 3,14 beinhaltet die ersten Ziffern der Zahl Pi. Besonders genaue Fans feiern am 14.03. um 1 Uhr 59 und 26 Sekunden, denn so erhält man die Zahl 3,1415926 und somit die ersten sieben Nachkommastellen von Pi.

Porträtbild Prof. Dr. Thomas Becker.

Prof. Dr. Thomas Becker, Prodekan für den Fachbereich Wirtschaft & Medien an der Hochschule Fresenius in Düsseldorf, (Foto links) und Prof. Dr. Sasa Novakovic, Professor für Mathematik und Statistik, entwickelten die Studiengänge Data Science & Business Intelligence (B.Sc.), Web Engineering & Development (B.Sc.) sowie Business Management & Digital Technology (B.Sc.).

Welche Bedeutung hat die Mathematik heute für Menschen, die in technologischen Fachgebieten wie zum Beispiel Data Science arbeiten? Und in welchem Verhältnis steht hier die Theorie zur Anwendung?

Prof. Dr. Sasa Novakovic: Die Mathematik spielt zum Beispiel im Bereich Data Science eine immens wichtige Rolle. Als Ziel steht die Extraktion, sozusagen das Herausziehen, von Wissen aus strukturierten oder unstrukturierten Daten. Viele der Methoden, Prozesse und Algorithmen, die angewendet werden, beruhen auf Mathematik und Statistik. Letztendlich lernt beispielsweise jedes künstliche neuronale Netz eine komplizierte nicht-lineare Funktion. Mathematisch gesehen ist das ein Optimierungsproblem, bei dem ein Minimum gesucht wird. Das geschieht mithilfe von bestimmten Algorithmen. Ein anderes Beispiel ist der klassische Spamfilter in unseren E-Mail-Programmen. Auch seine Funktionsweise beruht im Wesentlichen auf Mathematik und Statistik. Oder die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Banken. Die Liste an Beispielen ist endlos.

Nun zu Ihrer zweiten Frage. Max Planck sagte einmal: Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen. Meines Erachtens ist es bei Data Science, aber auch in anderen technologischen Fachgebieten wichtig, genau zu verstehen, was man tut. Ali Rahimi von Google sagte 2017 auf seinem Plenarvortrag bei einer Preisverleihung, dass „maschinelles Lernen zu einer Form der Alchemie geworden ist“. Wenn das Ziel die Extraktion von Wissen ist, sollten wir die Methoden und Prozesse ausreichend gut verstehen, um verantwortungsbewusst und nachhaltig mit ihnen umgehen zu können. Mathematisch wie ethisch gibt es aber im Bereich des maschinellen Lernens noch einige offene Fragen. Und da ist Algorithmic Bias nur eines der auftauchenden Probleme. Auch im Bereich der Medizin besteht die Anspruchshaltung, mehr als nur künstliche Intelligenz anzuwenden. Man möchte zum Beispiel auch verstehen, wie das künstlich neuronale Netz zu einer Diagnose kommt. In solchen kritischen Bereichen ist es wichtig, die sogenannte Black Box genauer zu verstehen. Das ist auch der Grund dafür, warum immer mehr im Bereich der mathematischen Grundlagen der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens geforscht wird.

An der Hochschule Fresenius gibt es gleich mehrere zukunftsweisende Studiengänge aus dem Technology-Bereich. Wie gut passt das zu einer Hochschule mit einem großen wirtschaftlichen Schwerpunkt und langer naturwissenschaftlicher Tradition?

Prof. Dr. Thomas Becker: Sehr gut, denn auf der methodischen Ebene sind Technology-Studiengänge sehr verwandt mit naturwissenschaftlichen Fächern. Es geht bei Naturwissenschaften um Evidenz und Empirie und die liefern Daten. Diese Daten müssen ausgewertet werden. Nichts anderes machen wir bei Big Data oder Business Analytics, künstlicher Intelligenz oder Systems Engineering.

Noch spannender und wichtiger ist aber der wirtschaftliche Ansatz der Hochschule Fresenius. Das können wir von den Big-Tech-Unternehmen aus den USA, China und Japan lernen: Nur wer Technologie mit Wirtschaft zusammendenkt, kann marktführende Produkte entwickeln, Organisationen digital transformieren und Innovationen in den Mittelpunkt der Strategie stellen. Nur wer beides – Technologie und Wirtschaft – zusammendenkt, ist letztlich erfolgreich, wie wir bei Unternehmen wie Apple, Amazon, Alibaba oder Alphabet sehen.

Wie viel Theorie erwartet die Studierenden in den Studiengängen? Und wie kann man sich den Anwendungsbezug und die Praxis während des Studiums in etwa vorstellen?

Prof. Dr. Thomas Becker: Getreu dem Anspruch „nichts ist praktischer als eine gute Theorie“ geht es weniger um die Frage, wie viel oder wie wenig Theorie man lernt. Entscheidend ist, dass man die Theorien lernt, die einem in der Praxis wirklich weiterhelfen. Nicht Theorie um der Theorie willen, sondern Theorie, die Praxis ermöglicht – das ist entscheidend. Und damit das eingelöst wird, kombinieren wir durchgängig in allen Technology-Studiengängen Grundlagenfächer mit konkreter Anwendung. Das ist quasi wie in der Fahrschule: Du musst die Regeln kennen, damit du ein Auto fahren kannst. Es geht nicht darum, ein Auto irgendwie zu bewegen, das wäre reine Praxis, sondern auf Basis der Regeln richtig zu fahren und auch in extremen Situationen klarzukommen. Das ist Theorie plus Praxis.

Wenn wir zum Beispiel im Studiengang Web Engineering & Development (B.Sc.) erst über Softwareentwicklung Konzepte und Ideen lernen, geht es danach gleich in die Anwendung: Selbst Apps bauen, selbst eine dynamische Website erstellen, selbst das Backend aufsetzen.

Du willst mehr über den Bereich Technology erfahren?

Dann informiere dich über unsere Technology-Studiengänge Data Science & Business Intelligence (B.Sc.), Web Engineering & Development (B.Sc.) sowie Business Management & Digital Technology (B.Sc.).

Darüber hinaus findest du in unserer Themenwelt Digitalisierung, Technologie & Engineering weitere interessante Studiengänge rund um den Bereich Technology.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die berufliche Zukunft für Menschen, die sich um technologischen Bereich spezialisieren, aus? Und wie werden die Studierenden an der Hochschule auf diese Zukunft vorbereitet?

Prof. Dr. Thomas Becker: Technik ist ein griechisches Wort für Handwerk. Gemeint ist das praktische Handwerkszeug, um neue Dinge herzustellen. Wenn wir davon ausgehen, sind technische Berufe – ob Ingenieur:in oder Softwareentwickler:in – alle einer gemeinsamen Sache verbunden, nämlich kreativ neue und bessere Lösungen für die Menschheit zu schaffen. Damit sind Techniker:innen das Gegenstück von Verwalter:innen, also denjenigen, die Regeln und Routinen abarbeiten. Im 20. Jahrhundert brauchte man beides, die Gestaltung wie auch die Umsetzung und das Ausführen. Aber durch immer leistungsfähigere Computer, Netzwerke und Programme werden die umsetzenden und ausführenden Tätigkeiten immer stärker durch Maschinen ersetzt. Ein aktuelles Beispiel ist ChatGPT, ein Tool, dass letztendlich Menschen ersetzen kann, die wir bislang brauchten, um zum Beispiel in einem Call Center Kundenanfragen zu beantworten. Solche regelbasierten Systeme können auch klassische Wirtschaftsjobs zum Beispiel in der Buchhaltung oder im Controlling obsolet machen.

Techniker:innen dagegen müssen kreativ sein. Kreativität ist Teil ihrer DNA. Und Kreativität lässt sich schlecht an Maschinen auslagern. Wie also sieht die berufliche Zukunft für Menschen im technologischen Bereich aus? In einem Wort: Wunderbar! Sie werden unsere Welt verändern und sich der Leistungsfähigkeit der Maschinen bedienen. Es ist aber wichtig, dass dieses Verständnis von Technik auch geweckt und kultiviert wird. Das ist unser Job an der Hochschule Fresenius: Nicht Wissen transportieren, sondern Menschen entwickeln. Wir machen das durch die Gestaltung der einzelnen Lehrinhalte, durch die Zusammenstellung der Lerngruppen, durch Praxisaufträge und konkrete Projekte, durch das Zusammenleben am Campus und durch viele Veranstaltungen, die jenseits des Stundenplans stattfinden.